Individuelle Kompetenzprofile fördern: Kooperationen zwischen hochschulischer und beruflicher Bildung
Hamburg, 2. und 3. Dezember 2024
Nachfolgend finden Sie die Dokumentation unserer Veranstaltung:
Konferenzbericht
Angesichts drängender gesellschaftlicher Herausforderungen – wie dem Fachkräftemangel, der zunehmenden Digitalisierung und dem demografischen Wandel – ist es wichtiger denn je, Lernenden die Möglichkeit zu eröffnen, sich flexibel und individuell im Bildungssystem zu bewegen. Sie erhalten dadurch die Chance, ihre Kompetenzen im Sinne des lebensbegleitenden Lernens kontinuierlich zu erweitern und sich an die Anforderungen von Gesellschaft, Wirtschaft und Arbeit anzupassen.
Wie ist es um unser aktuelles Bildungssystem bestellt? Gibt es diese Bewegungsfreiheiten sowie Übergänge zwischen der hochschulischen und beruflichen Bildung bereits? Oder scheitert die Durchlässigkeit noch allzu häufig an Verständnisschwierigkeiten und anderen Hürden? Mit diesen und vielen weiteren Themen beschäftigten sich rund 160 Expert:innen und Interessierte auf der MODUS-Konferenz am 2. und 3. Dezember 2024 in der Handwerkskammer Hamburg.
Unterschiedliche Kompetenzen, individuelle Förderung
In seiner Begrüßung verwies HRK-Vizepräsident für Lehre, Studium und Lehrkräftebildung Prof. Dr. Ulrich Bartosch unter anderem auf den bayerischen Pädagogen Georg Kerschensteiner, der sich bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts gegen eine allzu strikte Trennung der Bildungsbereiche ausgesprochen hatte. Kerschensteiner hatte dafür geworben, der Berufsbildung und dem Handwerk eine besondere Rolle in der Herausbildung einer kulturellen, ethischen und ästhetischen Haltung beizumessen. Genau hierin liege aber die gemeinsame Verantwortung von beruflicher und akademischer Bildung, so Bartosch. Es gehe darum, bestmögliche Wege für selbstbewusste, individuelle Bildungsbiografien zu eröffnen.
In eine ähnliche Richtung argumentierte Prof. Dr. Julia Gillen, Leibniz Universität Hannover, in ihrer Keynote „Lebensbegleitendes Lernen: Individuelle Kompetenzen im Fokus“. Eine wichtige Voraussetzung für ein gemeinsames und durchlässiges Bildungssystem sei allerdings, sich der Unterschiede der Bildungsbereiche und ihrer Kompetenzvermittlung bewusst zu sein. Daraus sei jedoch nicht zu schließen, dass die einen Kompetenzen wertvoller seien als die anderen, sondern dass Bildungsinstitutionen immer individuell auf das Individuum reagieren und es durch individuelle Förderung und Beratung begleiten sollten.
Arbeitszeit nicht gegen Bildungszeit ausspielen
Die anschließende Gesprächsrunde fragte nach den Möglichkeiten von Zusammenarbeit über die Grenzen der Bildungsbereiche hinweg. Deutlich wurde, dass der Wille zur Durchlässigkeit systemübergreifend da ist, es aber nach wie vor an Rahmenbedingungen (konsequente kompetenzorientierte Sprache, Modularisierung, Leistungspunktesystem) und einer stärkeren Vernetzung zwischen den Akteur:innen mangelt. Es folgte eine Forenphase, die sich innovativen Beratungsangeboten für unterschiedliche Zielgruppen (Schüler:innen, Spurwechsler:innen, Berufseinsteiger:innen) aus beiden Bildungsbereichen widmete, wobei die Bedeutung niedrigschwelliger und dem Einzelfall angepasster Angebote deutlich wurde.
Den Abschluss des ersten Tages bildete ein Kamingespräch, bei dem Ulrike Stodt (Deutsche Bahn AG) und Prof. Dr. Gerhard de Haan (Freie Universität Berlin) zusammen mit Moderator Dr. Jan-Martin Wiarda einen Blick auf die Zukunft der Arbeit und Bildung warfen. Hervorgehoben wurde dabei, dass es zukünftig entscheidend sein werde, Arbeitszeit nicht gegen Bildungszeit auszuspielen, sondern Möglichkeiten für flexible, in den Arbeitsalltag integrierbare Fort- und Weiterbildungen zu schaffen.
Zu Beginn des zweiten Konferenztags berichteten Dr. Sigrun Nickel und Anna-Lena Thiele, CHE Centrum für Hochschulentwicklung, über Zwischenergebnisse einer von MODUS in Auftrag gegebenen Studie, die den Stand pauschaler Anrechnungsverfahren in der Hochschullandschaft in Deutschland untersucht (voraussichtlicher Erscheinungstermin: März 2025). Obwohl die pauschale Anrechnung auf berufserfahrene Studierende sehr attraktiv wirke und dadurch an den Hochschulen eine hohe Nachfrage an Studienplätzen erzeugt werde, sei sie nach wie vor eher selten im Hochschulsystem zu finden.
Es schlossen sich zwei Forenphasen an, die zum einen regionale Kooperationen als konkrete Beispiele für Bildungskooperationen zum Thema hatten, zum anderen flexible Bildungsformate, die es Lernenden ermöglichen, mit möglichst geringen Hürden zwischen den Bildungsbereichen zu wechseln und sich an ihren je individuellen Bildungsweg angepasste Kompetenzen anzueignen.
Ein Blick in die Zukunft
Den Abschluss der Konferenz bildete eine Podiumsdiskussion zum Thema „Blick in die Zukunft: Ein Bildungssystem im Wandel hin zur systematischen Durchlässigkeit“. In der Diskussion zeigte sich, dass beide Bildungsbereiche – sofern eine echte Durchlässigkeit wirklich gewünscht ist – sich zunehmend einer Flexibilisierung von (Aus-)Bildungswegen öffnen müssen. Zwar verkompliziere dies die Bildungslandschaft, weil viele Akteur:innen aus unterschiedlichen Bildungskulturen und Kontexten aufeinander treffen, doch gebe es immerhin einen kleinsten gemeinsamen Nenner: die Kompetenzen und die Möglichkeit ihrer Anerkennung und Anrechnung.
Zeichnerisch begleitet und in Echtzeit dokumentiert wurde die Konferenz durch den Graphic Recorder Christian Ridder.
Graphic Recording
Video und Bild: Christian Ridder
Abstracts
Präsentationen
Newcomer-Workshop „Anrechnung von Kompetenzen an Hochschulen und in der beruflichen Bildung"
Kerstin Mucke, Bundesinstitut für Berufsbildung
Ann-Christine Birke, Mia Madita Lücker, Hochschulrektorenkonferenz
Keynote/Vorträge
Lebensbegleitendes Lernen: Individuelle Kompetenzen im Fokus
Prof. Dr. Julia Gillen, Leibniz Universität Hannover
Pauschale Anrechnung als ein Instrument zur Förderung von Kooperationen
Wilhelm Schäfer, Hochschulrektorenkonferenz
Entwicklung, Wirkungsweisen und Potenziale pauschaler Anrechnungsverfahren in Kooperationen
Dr. Sigrun Nickel, Anna-Lena Thiele, Centrum für Hochschulentwicklung
Foren
A. Beratung Schüler:innen
Das nordrhein-westfälische Übergangssystem „Kein Abschluss ohne Anschluss“ (KAoA)
Dr. Jens Stuhldreier, Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen
Der VerOnika-Verbund für die Schaffung von Orientierungsangeboten
Birgitta Kinscher, Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin
B. Beratung Spurwechsler:innen
Das länderübergreifende Beratungsnetzwerk Queraufstieg
Sabrina Anastasio, Beratungsnetzwerk Queraufstieg
Die Basecamps von JOBLINGE e.V. als Begleitungsangebot während der Ausbildung
Simon Busch, JOBLINGE e.V.
C. Beratung Berufseinsteiger:innen
Zukunftsplanung für Studienabsolvent:innen: Der Career Service der Hochschule Bremen
Dr. Monika Blaschke, Hochschule Bremen
Berufliche Weiterbildung & Qualifizierung: Die Weiterbildungsinitiator*innen in Bayern
Silke Lengemann, Bildungswerk der Bayerischen Wirtschaft
D. Die Fachkräfteallianz als regionale Kooperationsform in Ostwürttemberg
Die Fachkräfteallianz als regionale Kooperationsform in Ostwürttemberg
Lisa Huurdeman, Industrie- und Handelskammer Ostwürttemberg
Britta Seitz, Hochschule Aalen
E. Bildungsbrücken OWL: Flexible und spezialisierte Bildungskarrieren ermöglichen
Bildungsbrücken OWL: Flexible und spezialisierte Bildungskarrieren ermöglichen
Svenja Claes, Technische Hochschule Ostwestfalen-Lippe
Marc Thiel, Lippe Bildung eG
F. Regionale Vernetzung fördern: Dual studieren und pauschal anrechnen
Regionale Vernetzung fördern: Dual studieren und pauschal anrechnen
Dana Voigt, Technische Hochschule Brandenburg
Franziska Kuhl, Agentur Duales Studium Land Brandenburg
G. Das kollaborative Orientierungsjahr
Das Twin!-Orientierungssemester: Studium und Ausbildung kompakt
Laura Börzel, Industrie- und Handelskammer Karlsruhe
Almuth Wambach, Hochschule Karlsruhe
Das O ja! Orientierungsjahr für Studium und Ausbildung im MINT-Bereich
Nadine Köcher, Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin
Gregor Wendler, Industrie- und Handelskammer Berlin
H. Das duale Studium
Die Duale Hochschule: Ein Modell für die Zukunft?
Prof. Dr. Doris Nitsche-Ruhland, Duale Hochschule Baden-Württemberg
Ein ausbildungsintegriertes Studium der Bundeswehr: Eine Münchener Kooperation
Johannes Baumgartner, Universität der Bundeswehr München
Lars Moormann, Berufsbildungswerk der Versicherungswirtschaft in München e.V.
I. Wissenschaftliche und berufliche Weiterbildung
Der SDG-Campus: Flexible Kompetenzerweiterung durch Microcredentials
Annett Lehmann, Technische Universität Hamburg
Das IHK-Zentrum für Weiterbildung Heilbronn-Franken: Berufliche Kompetenzen erweitern
Adelhajda Bahonjic-Hölscher, IHK-Zentrum für Weiterbildung GmbH
World-Café
Programm
Kontakt
Inhalt:
Julia Ernst
ernst(at)hrk.de
+49 228 887 195
Jonas Reichert
reichert(at)hrk.de
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Mina Wiese
wiese(at)hrk.de
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Organisation:
Barbara Kleinheidt
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Jens Marquardt
marquardt(at)hrk.de
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