Rezension: Elisabeth Westphal, Die Bologna-Reform: „Policy Making“ in Europa und Österreich

Symbolbild

Elisabeth Westphal, Die Bologna-Reform: „Policy Making“ in Europa und Österreich, Wien (new academic press) 2020

Viele Entwicklungen in den west- und mitteleuropäischen Partnerstaaten liefen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts konvergent ab und führten ebenso wie eine Reihe von Ideen, Erklärungen und Dokumenten zu einschneidenden Veränderungen in der Organisation der Hochschulen und ihrer curricularen Lehre, so dass zurecht von einer zunehmend breiteren Europäisierung auch außerhalb des europäischen Integrationsprozesses die Rede ist. Wie kam man aber ausgerechnet auf die Kernidee des Bologna-Prozesses, dass durch eine flächendeckende Einführung gestufter Studiengänge und-abschlüsse die internationale Studierendenmobilität am stärksten gefördert werden könnte? Leider steht nach zwei Jahrzehnten der Reformumsetzung die Frage kaum mehr zur Debatte, welchen Einfluss dieser zwischenstaatliche Prozess tatsächlich auf die Entwicklung der internationalen studentischen Mobilität gehabt hat. Warum sollte ausgerechnet die Angleichung der unterschiedlichen Hochschulabschlussstrukturen im „Europäischen Hochschulraum“ wirkungsvoller sein als deren europaweiten Gleichsetzung? In Elisabeth Westphals Dissertation werden diese historisch-politikwissenschaftlich spannenden Veränderungen und Kernfragen der europäischen Universitätsgeschichte im Kontext behandelt und anschaulich dargestellt. Ihre sorgfältige Aufarbeitung zeigt, dass manchmal Unvorhersehbares möglich wird: So war weder absehbar, dass sich die europäischen Staaten auf hochschulpolitische Selbstverpflichtungen einigen würden, noch, dass Österreich, das mit studienrechtlichen Veränderungen beschäftigt war, sich als Mitbegründerin eines freiwilligen, nicht verbindlichen europäischen Übereinkommens hervortun würde, war doch die dreigliedrige Studienarchitektur in nationalen Konsultationsverfahren abgelehnt worden. Aufschlussreich ist die auch in anderen Ländern bekannte politische Instrumentalisierung der Bologna-Reform, die zur Durchsetzung und Legitimation lang gehegter hochschulpolitischer Vorstellungen herangezogen wurde. Wesentlicher Kritikpunkt war das zu wenig erfolgte Abwägen der Vor- und Nachteile ebenso wie die fehlenden Überlegungen und Pläne zur konkreten Finanzierung der dreigliedrigen Studienarchitektur. Die kritische Haltung der Studierenden gegenüber den Neuerungen erfolgte unter anderem wegen Forderungen nach einer Umstrukturierung, Studienzeitverkürzung und der „Beseitigung überfrachteter Studienpläne“. So sieht Westphal viele der aufgestauten Motive als Beweggründe sowohl für die Protestkundgebungen und Demonstrationen von 1999 als auch eine Dekade später für die "Uni brennt"-Bewegung von 2009/10, die sich ebenso auf einzelstaatlicher wie auf europäischer Ebene abspielte.

PZ

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