Digitalisierte Verwaltungsprozesse
16. März 2022
Fragen an Dietmar Smyrek, Vizepräsident Technische Universität Braunschweig
Herr Smyrek, wo stehen die Hochschulen gegenwärtig bei der Digitalisierung ihrer Verwaltungsprozesse? Was funktioniert bereits gut und welche Aufgaben oder Herausforderungen stehen an?
Wir arbeiten intensiv mit Kolleg:innen innerhalb der Bundesländer aber auch in bundesweit organisierten Arbeitskreisen der Kanzler:innen an Herausforderungen, die mit der digitalen Transformation einhergehen. Dabei zeigt sich in den vielen Gesprächen und in Umfragen, dass die Geschwindigkeit der IT-Durchdringung der Verwaltungsprozesse höchst unterschiedlich ist. Es scheinen unter anderem die Größe der Hochschule, die Finanzausstattung, das Bundesland und der aktuelle Level der digitalen Prozesse als „digitaler Startpunkt“ eine große Rolle zu spielen. Nur wer zum Beispiel ein „Identity and Access Management“ (IAM) implementiert hat, wird erfolgreich Workflows einführen können. Mit zusätzlicher Unterstützung vom Land wird etwa über ein gemeinsames Projekt der Hochschulen Nordrhein-Westfalens ein Dokumentenmanagementsystem eingeführt. Dies erzeugt genauso wie die Digitalisierung während der Corona-Pandemie enorme Digitalisierungsschübe.
Die klassischen Verwaltungsprozesse im Bereich Studierendenverwaltung oder Ressourcenverwaltung laufen gut, auch wenn oft erhebliche Anstrengungen für Release- Wechsel aufzuwenden sind. Während der Pandemie waren plötzlich Onlinewahlen, Nachverfolgungstools und Organisation von Homeoffice-Prozessen wichtig. Darüber hinaus beschäftigen sich Hochschulen oft unter hohem zeitlichen Druck mit der Umsetzung externer Anforderungen wie zuletzt der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) oder derzeit des Onlinezugangsgesetzes (OZG). Gerade letzteres erweist sich als große Herausforderung, weil lange für die Hochschulen bundesweite Nachnutzungslösungen in Aussicht gestellt worden sind. Da aus Sicht der Hochschulen bisher keine wesentlichen Ergebnisse bei der Umsetzung des OZG erzielt wurden, ist jetzt dezentral an den Hochschulen ein großer Handlungsdruck entstanden.
Welche Rahmenbedingungen und Ressourcen werden an Hochschulen für eine erfolgreiche Implementierung der Digitalisierung benötigt?
Wenn wir eine Vision einer zukünftigen, ideal digitalisierten Hochschule haben, dann sprechen wir ja nicht nur über die Möglichkeiten, von denen wir heute schon wissen, sondern auch über diejenigen, die sich jetzt als erste Trends abzeichnen sowie über diejenigen, die eine hohe strategische Bedeutung für Hochschulen bekommen können. Darum ist das Vorhandensein einer individuellen Digitalisierungsstrategie für jede Hochschule der wichtigste kritische Erfolgsfaktor. Genauso wichtig ist die Bereitschaft zur konsequenten Standardisierung der Prozesse, obwohl gerade in stark dezentral organisierten Hochschulen um jede „Sonderlocke“ leidenschaftlich gekämpft wird.
In vielen Bereichen fehlen überdies verlässliche Randbedingungen, die als externe Einflüsse durch die Hochschulen kaum steuerbar sind. Beispielsweise besteht in vielen Bundesländern datenschutzrechtliche Unsicherheit, ob eine kommerzielle Videokonferenzsoftware an den Hochschulen eingesetzt werden darf, da im Einzelfall geprüft werden muss, wo Daten gehostet werden und welche Daten verarbeitet werden. Darüber hinaus fehlen die finanziellen Ressourcen und die personellen Kapazitäten (u.a. wegen fehlender Vergütungsmöglichkeiten der Tarifverträge).
Bleiben wir beim Geld; ohne eine zusätzliche dauerhafte Grundfinanzierung der Hochschulen wird die Digitalisierung nicht funktionieren. Allein die nötigen Voraussetzungen für die IT-Sicherheit sind ein Megathema, das viele Hochschulen finanziell nicht allein werden stemmen können.
Welche Vorteile bieten sich durch regionale Hochschulverbünde? Sind diese Verbünde die Träger der Digitalisierung oder geht es um einen koordinierten Einsatz digitaler Strategien und Instrumente?
Natürlich bieten regionale, genauso wie überregionale, Verbünde zunächst die Vorteile der Effizienz des Betriebs von IT-Services, der Bereitstellung der kritischen Masse zur erfolgreichen Realisierung komplexer Einführungsgroßprojekte oder der günstigeren Lizenzmodelle. Diese funktionieren besonders gut bei Prozessen wie Verwaltungsleistungen, die für die Hochschulen nach außen nicht profilgebend sind. Die Verbünde sind in diesem Fall eher Backoffice als Träger der Digitalisierung. Dort, wo der Gestaltungswille vom Bundesland mit zusätzlichen Ressourcen unterlegt wird, gibt es starke Push-Effekte, die solche Verbünde wiederum zu Treibern machen.
Darüber hinaus gibt es hervorragende Verbünde, die angebotsorientiert sehr erfolgreich sind, zum Beispiel DFN, HIS oder auch das Projekt DEAL für die bundesweite Lizenzierung von Angeboten großer Wissenschaftsverlage. Sie bieten einen eindeutigen strategischen Mehrwert für die beteiligten Hochschulen.
Häufig beobachte ich allerdings, dass bei wettbewerbskritischen Prozessen allgemein die Bereitschaft zur Zusammenarbeit sinkt, eigene Lösungen bekommen eine höhere Relevanz.
Wie lassen sich die Hochschulen auf dem weiteren Weg der Nutzung digitaler Infrastrukturen sinnvoll begleiten und unterstützen?
Im föderalen Bildungssystem haben die Hochschulen einen starken Gestaltungswillen. In dem Arbeitskreis „Digitale Transformation“ der Kanzler:innen der Universitäten stellen wir genau dies fest: Der Abgleich von Zielstellungen, das gegenseitig voneinander Lernen und der Austausch von Informationen und Erfahrungen sind wesentliche Prozesse, die für einen Change zur digitalen Hochschulverwaltung erfolgskritisch sind. Diesen Impuls gilt es aufzugreifen und über Vernetzungen der Hochschulen mit anderen Akteuren zu befördern. Dabei können die Länder mit geeigneten Maßnahmen begleiten und beispielsweise themenbezogene Vernetzungsvorhaben unterstützen – auch länderübergreifend wäre dies sinnvoll. Wir erwarten mit der Transformation zur digitalen Verwaltung starke Veränderungen auch für die Arbeitsrealität im öffentlichen Dienst an den Hochschulen. Die Stichworte hier sind „Arbeit 4.0“ oder auch „New Work“. Wenn die Hochschulen bei der Nutzung digitaler Strukturen weiter voranschreiten, braucht es auch einen regulatorischen Rahmen, der einen guten Boden hierfür bereitet.
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